Roundtable Africa: Potentials, challenges and opportunities of education and research partnerships

Roundtable FA(ST)²Africa am 13. Mai im Triangel Space, Karlsruhe – Kooperation auf Augenhöhe als Schlüssel zur Bildungs- und Wissenschaftsrevolution in Afrika

„Afrika steht an der Schwelle zu einer Bildungs- und Wissenschaftsrevolution, die durch internationale Zusammenarbeit beschleunigt werden kann.“ Unter diesem Leitsatz veranstaltete das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) einen hochkarätig besetzten Roundtable im Triangel Space in Karlsruhe. 

Die Veranstaltung brachte Stimmen aus Forschung, Wissenschaftsmanagement und internationaler Zusammenarbeit zusammen, um das enorme Potenzial und die Zukunft fairer Partnerschaften zwischen afrikanischen und deutschen Institutionen zu diskutieren. Fachleute nutzten die Plattform, um Chancen und Herausforderungen internationaler Kooperationen aus verschiedenen Blickwinkeln inmitten globaler Umbrüche zu beleuchten. 

Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, wie tragfähige Partnerschaften zwischen Afrika und Deutschland den Wandel in Bildung und Wissenschaft effektiv unterstützen können – insbesondere vor dem Hintergrund aktueller politischer und wirtschaftlicher Dynamiken. 

Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Joerg Helmschrot (Projektkoordinator FA(ST)²Africa und WASANet, KIT Namibia). Zu den Panelist:innen gehörten: 

  • Dr. Annika Hampel, Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht, Freiburg 

  • Dr. Zegeye Mamo, Leiter des Emerging Cities Lab-Addis Abeba (EiABC-AAU und Bauhaus-Universität) 

  • Dr. Chris Funk, Direktor des Climate Hazards Center, UC Santa Barbara 

  • Prof. Dr. Christian Borgemeister, Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung (ZEF) 

  • Gudrun Chazotte, Leiterin der Stipendienprogramme Afrika, DAAD 

Machtungleichgewichte und neue Ansätze 

Dr. Zegeye Mamo sprach offen über strukturelle Ungleichgewichte, die viele Partnerschaften zwischen afrikanischen und europäischen Institutionen prägen. Forschungsagenden würden häufig durch europäische Förderlogiken bestimmt, sodass sich afrikanische Einrichtungen anpassen müssten. Es gebe jedoch Fortschritte: „Wir haben mit der Bauhaus-Universität eine Plattform auf Basis gemeinsamer Interessen entwickelt – unabhängig von externen Förderaufrufen.“ Er zeigte sich optimistisch: „Afrika ist die letzte Grenze der Urbanisierung. In den nächsten 25 Jahren werden wir Lebensraum für eine Milliarde Menschen schaffen. Das eröffnet enorme Chancen – auch für deutsche Studierende und Fachkräfte.“ Gleichzeitig warnte er vor überzogenen Erwartungen: Afrikanische Universitäten seien häufig überlastet mit entwicklungspolitischen Aufgaben – sie sollen forschen, lehren und Entwicklung vorantreiben – oft als Voraussetzung für staatliche Mittel. 

Dr. Annika Hampel betonte, dass erfolgreiche und faire Partnerschaften mit afrikanischen Institutionen mehr erfordern als gute Absichten. Europäische Akteure müssten interkulturelle Kompetenz und Afrikawissenschaften stärken, sich kritisch mit kolonialen Denkmustern auseinandersetzen und bereit sein, Verantwortung und Entscheidungsmacht zu teilen – bei Themen, Finanzierung und Bewertung. Kooperationen sollten auf Augenhöhe stattfinden: Das bedeute gegenseitigen Kapazitätsaufbau, strukturelle Unterstützung für afrikanische Infrastruktur und echte wissenschaftliche Co-Kreation statt einseitiger Datenerhebung. Eine offene Fehlerkultur und der Mut zum Scheitern seien essenziell, um gemeinsam zu lernen und nachhaltige Strukturen aufzubauen. 

Hampel forderte einen erkenntnistheoretischen Wandel: „Afrika war zu oft nur Objekt europäischer Forschung. Wir brauchen Kooperationen, die asymmetrische Wissensstrukturen aufbrechen.“ Am Beispiel des Maria Sibylla Merian Institute for Advanced Studies in Africa (MIASA) zeigte sie auf, wie afrikanische Forschende zunehmend selbst initiativ werden – etwa in der kritischen Analyse europäischer Migrationspolitik. Ihr Fazit: Gleichberechtigte Zusammenarbeit brauche Zeit, Vertrauen und strukturellen Wandel: „Nachhaltige Partnerschaften entstehen nicht durch einzelne Förderzyklen, sondern durch langfristiges, konsequentes Engagement.“ 

Gudrun Chazotte stellte zentrale Herausforderungen und strategische Ansätze für nachhaltige Bildungskooperationen mit afrikanischen Ländern vor. Die DAAD-Expertin mit über 30 Jahren Erfahrung betonte die Notwendigkeit fairer, interessengeleiteter Partnerschaften. Die Ziele beider Seiten müssten offen benannt und aufeinander abgestimmt werden, um effektiv zusammenzuarbeiten. „Nur wenn beide Seiten ihre Ziele transparent darlegen und partnerschaftlich handeln, entstehen tragfähige Strukturen“, so Chazotte. 

Ein besonderes Anliegen ist ihr die Förderung unternehmerischer Fähigkeiten bei Stipendiat:innen. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit in vielen afrikanischen Ländern sieht sie in der Förderung von Unternehmertum eine Perspektive für Rückkehrer:innen. Durch gezielte Schulungen sollen sie wirtschaftliche Initiativen starten und so zur Entwicklung ihrer Heimatländer beitragen. „Wenn Rückkehrende mit Know-how und Ersparnissen Unternehmen gründen, können sie zu Kernen wirtschaftlicher Entwicklung werden.“ Chazotte betonte zudem die Rolle der afrikanischen Diaspora – insbesondere über Rücküberweisungen, die oft direkt in Bildungssektoren fließen. 

Sie plädierte abschließend für einen Perspektivwechsel: Weg vom Begriff „brain drain“ hin zu „brain circulation“. Durch temporäre Auslandsaufenthalte und Rückkehr werde ein zirkulärer Wissensaustausch möglich – zum Vorteil für Herkunfts- wie Aufnahmeländer. Dafür seien jedoch strukturelle Rahmenbedingungen nötig, die solche Mobilität gezielt fördern. 

Neue Realitäten in der afrikanischen Wissenschaft 

Prof. Dr. Christian Borgemeister blickte auf 30 Jahre Zusammenarbeit mit afrikanischen Universitäten zurück: „Die Entwicklung ist beeindruckend. Universitäten in Accra und Ibadan haben sich enorm weiterentwickelt.“ Das werfe jedoch neue Fragen auf: „Wenn afrikanische Labore eigenständig Spitzenforschung betreiben, passen sie nicht mehr in klassische Förderlogiken. Europäische Partner geraten unter Rechtfertigungsdruck gegenüber Geldgebern, die sichtbare ‚Entwicklungshilfe‘ erwarten.“ 

Als Leiter eines Chemielabors in Nairobi erlebte er, wie die wachsende Eigenständigkeit afrikanischer Forschungseinrichtungen zu Spannungen mit europäischen Partnern führte, deren Rollen neu definiert werden mussten. Borgemeister forderte, die traditionelle Nord-Süd-Logik zu überdenken und Förderpolitiken an die Realität anzupassen: Statt paternalistischer Ansätze brauche es Partnerschaften auf Augenhöhe, die Kompetenz und Autonomie afrikanischer Institutionen anerkennen und fördern. 

Forschung ist lebensnotwendig 

„Wissenschaft muss Leben retten – nicht nur Wissen generieren.“ Mit diesem klaren Appell eröffnete Dr. Chris Funk vom Climate Hazards Center der University of California, Santa Barbara, seinen Beitrag beim FA(ST)²Africa-Roundtable des KIT. 

Er betonte, dass einfache ethische und physikalische Prinzipien – wie Mitgefühl oder der Umstand, dass wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann – die Grundlage für effektive Klimakatastrophen-Frühwarnsysteme in einer sich erwärmenden Welt bilden. Diese Systeme sollten globale wissenschaftliche Ressourcen nutzen, um lokale, lebensrettende Entscheidungen zu ermöglichen. Forschung dürfe nicht im Elfenbeinturm verbleiben, sondern müsse gemeinsam mit lokalen Meteorolog:innen, Agrarberater:innen und Medien umgesetzt werden – für rechtzeitige, wirksame Information dort, wo sie gebraucht wird. 

Fazit: Systemischer Wandel nötig 

Der Roundtable machte deutlich: Die Zusammenarbeit zwischen Afrika und Deutschland steht an einem Wendepunkt. Gute Absichten und Leitlinien reichen nicht aus. Notwendig ist ein tiefgreifender Wandel – in den Strukturen, im Denken und im Umgang miteinander. Echte Partnerschaft entsteht durch langfristiges Engagement, geteilte Verantwortung und die Bereitschaft zur Umverteilung von Macht. Afrikanische Perspektiven müssen nicht nur einbezogen, sondern leitend werden. Wie Dr. Hampel betonte: „Die Zeit der Manifeste ist vorbei. Jetzt braucht es systemischen Wandel – hin zu wirklich wechselseitiger, dekolonisierter und nachhaltiger Kooperation.“ Die Bildungs- und Wissenschaftsrevolution hat begonnen. Entscheidend wird sein, ob sie auf Augenhöhe stattfindet – und wer sie mitgestaltet.